In der Woche nach den Osterferien durfte ich im Rahmen des Erasmus + Projektes gemeinsam mit Kollegin Ljubic einige Tage nach Larnaca auf Zypern reisen, um dort den Schulalltag des Gymnasio Faneromenis kennenzulernen.
Im Fokus eines „job shadowings“ steht der Austausch über die Struktur und Organisation von Schule und Unterricht in einem anderen Land und ein kultureller Austausch mit den Kolleg:innen vor Ort.
Wir wurden vom Kollegium in Larnaca sehr herzlich empfangen und erhielten bereits am ersten Tag eine Stadtführung von zwei engagierten Lehrerinnen, die uns mit lokalen Insider-Tipps bereicherten. Von Mittwoch bis Freitag standen dann Hospitationen in diversen Unterrichtsgegenständen und ein Austausch über das jeweilige Schulsystem am Programm. Wir diskutierten über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Curriculum, aber auch über die Ansätze zur Regelung der Verwendung von Smartphones und Schulkleidung oder den Umgang mit Mehrsprachigkeit und multikulturellen Biographien von Schüler:innen und Lehrer:innen.
Die Schüler:innen begegneten uns mit Neugier und überzeugten uns mit ihrer Offenheit und ihren fortgeschrittenen Englisch-Kenntnissen, wodurch deren Erklärungen über Stundeninhalte, welche in der Unterrichtssprache Neugriechisch gelehrt wurden, wesentlich erleichtert wurde.
Besonders herzlich wurden wir in der Klasse für Schüler:innen mit „migrant biography“ empfangen, die sich aus Jugendlichen mit unterschiedlichen Migrationsbiografien zusammensetzt. Die Schüler:innen kamen im laufenden Schuljahr nach Zypern und fokussieren sich in dieser Klasse auf das Erlernen der neugriechischen Sprache. „Students with Migrant Biography (S.M.B.)“ ist ein Programm des zypriotischen Bildungsministeriums, um die soziale und schulische Integration von Kindern und Jugendlichen mit multikulturellem Hintergrund und einer anderen Erstsprache als Neugriechisch zu fördern und die Schüler:innen möglichst rasch in das Regelschulwesen eingliedern und sie zum individuellen Bildungserfolg führen zu können.
Den markantesten Unterschied zum Schulwesen in Österreich fanden wir in der reduzierten Schüler:innenanzahl, denn in der „größten“ Klasse fanden sich 19 Schüler:innen für den Biologieunterricht.
Außerdem gibt es in vielen Klassen eine unterstützende Lehrkraft, welche im Rahmen des classroom managements unterstützt und auf Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen eingeht.
Am Donnerstagnachmittag machten wir einen gemeinsamen Ausflug zum „Cultural Centre of Occupied Famagusta“. An diesem Ort wurde uns die Geschichte der Teilung Zyperns nähergebracht und wir durften uns mit einer älteren Dame, welche vor 1974 in Famagusta lebte, austauschen. Sie hat uns vom blühenden Gesellschaftsleben in der Stadt ihrer Jugend und von ihrem großen Wunsch, einmal noch in ihr altes Zuhause zurückkehren zu dürfen, erzählt. Die Dame musste 1974 fliehen und kann seither nicht mehr in ihr altes Zuhause zurück, weil es bis heute im militärischen Sperrgebiet im von der Türkei annektierten Teil Zyperns liegt.
Im „Cultural Centre for Occupied Famagusta“ fokussiert man sich auf die Aufklärung und Einordnung der speziellen Situation von Zypern als geteiltem Land und bemüht sich um eine Sensibilisierung von Jugendlichen und Erwachsenen für den Diskurs und ein Agenda-Setting für eine nachhaltige friedliche Lösung für Zypern, damit in Zukunft alle Zypriot:innen gemeinsam und in gegenseitiger Anerkennung leben können.
Wir konnten bei diesem „job shadowing“ viele Eindrücke auf der Mittelmeerinsel gewinnen und sind sehr dankbar für die vielen interessanten Gespräche und den professionellen Austausch mit den Kolleg:innen in Larnaca. Im nächsten Schuljahr werden wir sie in Wien begrüßen und ihnen einen Einblick in das Schulleben im Gymnasium/Realgymnasium Gottschalkgasse geben.
Prof.in Gudrun Gingl & Prof.in Kristina Ljubic